Wer waren die Guanchen und wie kamen sie nach Teneriffa?

Die Guanchen gelten als die ersten dauerhaften Bewohner von Teneriffa, die die Insel bereits lange vor der Ankunft der Spanier im 15. Jahrhundert besiedelten. Ihr Ursprung liegt im Dunkeln, aber moderne Untersuchungen zeigen, dass sie Berber(Amazigh)-Vorfahren aus dem Norden Afrikas hatten, die sich etwa ab 600 v. Chr. auf der Insel niederließen.

Anders als die Phönizier und Römer, die Teneriffa und die anderen Kanarischen Inseln besuchten, aber nicht die notwendigen Bedingungen für eine Ansiedlung vorfanden, brachten die später ankommenden Berbervölker Nutzpflanzen (Weizen, Erbsen und Gerste) und Haustiere (Ziegen, Schafe, Schweine und Hunde) mit. Dies ermöglichte es ihnen, sich dauerhaft anzusiedeln.

Immer noch ein Rätsel ist, wie die Guanchen vor rund 2600 Jahren auf die Insel gelangten: kamen sie auf eigene Faust und mit eigenen Mitteln oder wurden sie von anderen Mittelmeervölkern wie den Römern gebracht? Es gibt keine archäologische Funde von hochseetauglichen Schiffen und nur wenige Hinweise, dass die Guanchen Kenntnisse von Schiffbau oder Navigation hatten. Eine weit verbreitete Hypothese spricht davon, dass Berbergruppen, die gegen die römische Herrschaft rebelliert hatten, als Gefangene oder Sklaven auf den Kanarischen Inseln ausgesetzt wurden.

Gut zu wissen: 7 Kanarische Inseln waren bereits vor der Kolonisierung im 15. Jahrhunderts besiedelt

  • Ezeró (heute El Hierro), bewohnt von den Bimbache
  • Maxorata (Fuerteventura) und Titeroygatra (Lanzarote), bewohnt von den Mahos
  • Canaria (Gran Canaria), bewohnt von den Altkanariern
  • Gomera (La Gomera), bewohnt von den Gomeros
  • Benahoare (La Palma), bewohnt von den Benahoaritas
  • Achinet (Teneriffa), bewohnt von den Guanches

Nach dem Niedergang Roms im 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. brachen die Verbindungen zwischen den Kanarischen Inseln, Europa und Nordafrika ab, denn es gibt keine Hinweise auf wirtschaftlichen oder kulturellen Austausch. Auch unter den Kanarischen Inseln war der Kontakt nur sporadisch. Hinweise auf einfache Boote aus Drachenbäumen und archäologische Funde, wie ein großer Angelhaken aus Ziegenhorn, deuten auf gelegentliche Verbindungen zwischen nahegelegenen Inseln nahegelegenen Inseln wie Lanzarote, Fuerteventura, Teneriffa und La Gomera hin. Forschende sind sich jedoch einig, dass die Inselbewohner selten ihre Inseln verließen, wodurch sich auf jeder Kanareninsel eine eigene Kultur entwickelte.

Die Guanchen lebten auf Teneriffa über Jahrhunderte hinweg weitestgehend isoliert in einer Art steinzeitlichen Kultur. Bis die Insel im 15. Jahrhundert wiederentdeckt und erobert wurden. Zum Zeitpunkt der Eroberung war Teneriffa in neun verschiedene Stammesgebiete (Menceyatos) aufgeteilt, die relativ unabhängig voneinander waren und je ein Stammesoberhaupt (Mencey) an der Spitze hatten.

Neun Brüder herrschten als Menceyes zum Zeitpunkt der Eroberung durch die Spanier auf Teneriffa. In Candelaria werden sie geehrt – mit überlebensgroßen Statuen. Diese stehen in unmittelbarer Nähe zur Basílica de Nuestra Señora de la Candelaria, der wohl berühmtesten Kirche der Kanaren.

Wie haben die Guanchen gelebt?

Das Leben der Guanchen war stark von der Natur und den Gegebenheiten der Insel Teneriffa bestimmt.

Die Guanchen waren hauptsächlich Viehzüchter und Hirten, aber auch Sammler und in geringerem Umfang Ackerbauern. Sie hielten Ziegen und Schafe in Wanderviehherden und zogen über die ganze Insel, stets auf der Suche nach den besten Weideflächen. Ziegen spielten eine zentrale Rolle in ihrer Ernährung und Lebensweise, da sie sowohl Milch, Fleisch als auch Felle lieferten. Darüber hinaus fingen die Ureinwohner Fische und sammelten Muscheln, Schnecken und Wildpflanzen. Zudem bauten sie Getreide wie Gerste an, das sie zu Gofio, einem gerösteten Mehl, verarbeiteten.

Eine Schrift kannten die Guanchen nicht, sehr wohl aber graphische, schriftähnliche Steinritzungen (Petroglyphen), von denen viele eine kulturelle, astronomische oder religiöse Bedeutung hatten. Die Religion war ein bedeutender Teil der Guanchen-Kultur: sie verehrten Naturgötter sowie Ahnengeister, und ihre Rituale waren eng mit der Verehrung der Naturkräfte verbunden. Die Guanchen beobachten die Sterne, das Wetter und die Jahreszeiten – Spirualität, Sternenbeobachtung und Landwirtschaft waren kaum zu trennen.

Felszeichung in der Nähe von Masca

Die Guanchen nutzen natürliche Höhlen, um darin zu wohnen bzw. ihre Vorräte aufzubewahren. Dort wo es keine Höhlen gab, zum Beispiel in den Hochweiden der Cañadas, errichteten sie einfache Unterschlupfe aus Trockensteinen, die mit Ästen und darüber gelegten Tierhäuten einigermaßen vor Wind, Wetter und Nachtkälte geschützt waren. Zudem gab es Grabhöhlen, in denen ranghohe Personen wie etwa die Stammeskönige bestattet wurden.

Alltagsgegenstände fertigten die Ureinwohner Teneriffas aus gebranntem Ton an. So zum Beispiel Töpfe, Schüsseln oder Krüge – unter anderem für den Transport von Flüssigkeiten oder die Aufbewahrung von Vorräten. Da es auf Teneriffa keine Metallvorkommen gibt, nutzten sie Steine, Lapasschalen oder das Obsidian genannte Vulkanglas für die Herstellung von Messern, Lanzenspitzen und anderen scharfen Gegenständen.

Was passierte mit den Guanchen nach der Eroberung Teneriffas durch die Spanier?

Rund 2000 Jahre lang lebten die Guanchen auf Teneriffa, bevor sie durch die spanische Eroberung im Jahr 1496 nahezu ausgelöscht wurden. Viele Guanchen starben durch Kämpfe, Versklavung und eingeschleppte Krankheiten gegen die sie keine Abwehrkräfte hatten.

Die Kolonialisierung, Missionierung und die Vermischung der Bevölkerungen führten dazu, dass ihre Kultur, Sprache, Rituale und Religion fast vollständig verdrängt wurden. Heute, über 600 Jahre später, ist das Erbe der Guanchen ist weitgehend verloren.

Spurensuche: was haben die Guanchen hinterlassen?

Wer genau hinschaut, kann verschiedene archäologische, sprachliche, kulinarische und sogar sportliche Spuren der Guanchen entdecken:

Ein Versammlungsort der Guanchen im Tenogebirge von Teneriffa

Versammlungsplatz (Tagoro)

Meerfenchen direkt am Meer

Muschelhaufen (Conchero) in Teno Bajo

Cazoletas und Canales, dienten religiösen Ritualen

Zu den Sportarten, die noch heute praktiziert werden und die laut Überlieferungen auf die Guanchen zurückgehen, gehören der Ringkampf Lucha Canaria und der Stockkampf Juego del Palo.

Ein Versammlungsort der Guanchen im Tenogebirge von Teneriffa

Speichenrad ähnliche Felsritzung (Petroglyphe)

Das Wort Tajinaste bedeutet Nadel und stammt von den Guanchen

Tajinaste stammt aus der Sprache der Guanchen

Eine Guanchenhöhle auf Teneriffa

Wohnhöhlen

Warum wissen wir so wenig über die Guanchen?

Der Sieger schreibt die Geschichte. Im Fall der Guanchen nicht nur sprichwörtlich, sondern ganz real, denn die Ureinwohner Teneriffas kannten keine Schrift. Keine Schrift heißt keine schriftlichen Quellen, die irgendwie überdauern konnten.

Unser heutiges Wissen über die Guanchen basiert vor allem auf archäologischen Funden, modernen DNA-Analysen, mündlichen Überlieferungen und den schriftlichen Berichten der Eroberer. 

Die Eroberung zerstörte die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösen Strukturen der Guanchen fast vollständig, und durch den Zwang zur Christianisierung und Anpassung an die Eroberer verschwand ihre Kultur bis Ende des 16. Jahrhunderts nahezu vollständig. Erst zu dieser Zeit und damit rund 100 Jahre nach der Eroberung erschienen die ersten europäischen Werke über die Guanchen, darunter Alonso de Espinosas „Die Guanchen von Teneriffa“ (1594) und Leonardo Torrianis „Die Kanarischen Inseln und ihre Urbewohner“ (1590).

Edle Weiße versus hinterlistige Hunde – Guanchen in der Literatur der Eroberer

Vor allem in der Literatur des 16. und 17. Jahrhunderts wurden die Guanchen sehr ambivalent dargestellt. Einerseits wurden sie wegen ihres „edlen und aufrichtigen“ Charakters, ihrer Ähnlichkeit mit Europäern aufgrund ihrer „weißen Haut“ und „blonden Haare“ und wegen ihres „leicht sinnlichen“ Wesens gepriesen. Andererseits wurden sie beschuldigt „heimtückische Hunde“ und „Sarazenen“ zu sein, „in der Lage Beziehungen mit allen Frauen außer ihren Müttern“ zu haben.

Nicht alle Guanchen waren groß, blond und blauäugig!

Heute weiß man, dass nur ein Teil der Guanchen hellhäutig, blond und blauäugig war. Die Darstellung der Ureinwohner als hochgewachsene, starke Weiße aber wird immer noch gern reproduziert – von Reiseführern und -blogs, aber auch in der aktuellen und manchmal rassistischen Diskussion über die auf den Kanaren ankommenden Geflüchteten aus Afrika.

Auch wenn es manch einem nicht passt: das Berbervolk, das aus Nordafrika auf die Kanarischen Inseln kam, war nicht homogen. Im Gegenteil, es war eine bereits vielfältig durchmischte Bevölkerungsgruppe.

Bereits die ersten Siedler der Kanaren zeigen in ihren genetischen Merkmalen Einflüsse aus Nordafrika, dem Mittelmeerraum und Subsahara-Afrika. Und das zeigt: es gab bereits vor der Besiedlung der Inseln umfangreiche Wanderungsbewegungen innerhalb Afrikas und in den nördlichen Teil des Kontinents – einschließlich Wanderungen von Menschen aus Gebieten südlich der Sahara in Richtung Norden.

Quellen und weiterführende Links
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