Teneriffa. In der Mitte der Teide und rundherum ein Mosaik aus einmaligen Naturschutzgebieten, kleinen Dörfern und großen Städten, ausdehnten Wäldern und großen Plantagen, dicht besiedelten Touristenzentren und fast ausgestorbenen Weilern sowie genutzten, verlassenen und überwucherten Terrassenfeldern.

Dieses Landschaftsbild ist das Ergebnis einer Entwicklung, die mit Besiedlung durch die Guanchen vor ungefähr 2500 Jahren begann, durch die Folgen der spanischen Eroberung im 15. Jahrhundert geprägt wurde und heute maßgeblich vom Tourismus beeinflusst ist.

Guanchen: im Einklang mit der Naturlandschaft

Eine üppig bewachsene Insel, mit sprudelnden Quellen und großen Wäldern, die auf der Nordseite bis zum Meer reichten. So sah Teneriffa vor der Ankunft der Menschen, aus. Aber bereits vor mehr als 2500 Jahren beeinflussten die ersten bekannten Bewohner, die Guanchen, ihre natürliche Umgebung, indem sie Landwirtschaft und Viehzucht betrieben.

Die Landwirtschaft der Guanchen konzentrierte sich vor allem auf die Haltung von Ziegen und Schafen in Wanderviehherden sowie dem Anbau von Getreide. Daneben ernährten sich die Guanchen von strandnahem Fischfang, dem Sammeln von Muscheln, Schnecken und Wildpflanzen. Vereinzelt auch von der Jagd.

Es gibt wenig verbliebene Spuren der Guanchen. Eine Ausnahme: Concheros, Abfallhaufen aufgetürmt aus den Schalen von Meeresschnecken. Mehr dazu

Vor allem den Wald nutzen die Guanchen auf vielfältige Weise, darauf deuten archäologische Funde wie Holzkohle und Blütenpollen hin. Im Wald deckten sie zum einen ihren Bedarf an Brennholz. Zum anderen sammelten sie in den großen, artenreichen Lorbeerwäldern Wildfrüchte und -gemüse, Samen und Wurzeln. In stärker besiedelten Gebieten brandrodeten die Guanchen Waldstücke, um bessere Weideflächen für ihre Herden zu schaffen.

Durch diese Eingriffe in die Natur kam es vermutlich zu Veränderungen in der Zusammensetzung der natürlichen Pflanzengesellschaften. Dennoch schätzen Forschende die Auswirkungen auf die Natur als nicht gravierend ein. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte von rund 15.000 bis 25.000 Guanchen zur Zeit der Eroberung und da die Ureinwohner keinen Handel mit den anderen Kanarischen Inseln betrieben, war ihr Einfluss auf die natürliche Vegetation wohl nur gering und soll diese nicht grundlegend verändert haben.

Spanische Eroberung: Zeit der großen Veränderungen

Mit der Ankunft der Eroberer und europäischen Siedler Ende des 15. Jahrhunderts kam es zu tiefgreifenden Veränderungen auf Teneriffa. Die Zeit der intensiven Landnutzung begann.

Die neuen Bewohner rodeten die ebenen und fruchtbaren Gebiete nahe der Küste, um Zuckerrohrplantagen anzulegen. Siedlungen entstanden und wuchsen schnell, Städte wurden gegründet. Zucker und Holz waren die ersten Exportgüter. Für ihren Transport wurden bereits kurz nach der Eroberung Handelswege, die sogeannten Camino reales, und Häfen ausgebaut bzw. neu angelegt.

Zu dieser Zeit gab es einen enormen Holzbedarf. Zum einen wurde viel Holz für den Aufbau und den Betrieb der Zuckerproduktion verwendet: Nicht nur die Zuckerfabriken selbst, auch Kanäle, die Wasser zur Bewässerung der Plantagen und zum Antrieb der Mühlen leiteten, wurden aus Holz gebaut. Dazu wurden kontinuierlich große Mengen an schweren Holzstämmen zum Einkochen des Zuckerrohrsaftes verbraucht.

Zum anderen dienten die reichen Holzvorkommen der Insel in der Anfangszeit der Kolonisierung als Lockmittel für neue Siedler.  Große Teile der Wälder wurden als öffentlich deklariert (“montes de propios”) und konnten damit frei genutzt und ausgebeutet werden. Als sich ungefähr 10-15 Jahre später der Zuzug in die Kolonie verstärkte, wurde die freie Waldnutzung eingeschränkt, um die Versorgung der neuen Siedler mit Baumaterial und Holz zu sichern. Obwohl Holz ab diesem Zeitpunkt mit Abgaben belastet war, wurden weiterhin große Mengen exportiert, z.B. zu den Zuckerfabriken auf Gran Canaria.

All dies blieb nicht ohne Folgen: Bereits in den ersten 100 Jahren nach der Eroberung gab es Veränderungen in nahezu allen Vegetationszonen. Wie dramatisch diese Veränderungen gewesen sind, lässt sich zum Beispiel daran ablesen, dass von 1512 bis 1585 rund ein Drittel der öffentlichen Wälder weggeholzt wurden.

Von der Eroberung bis in die 1950er: Wandel von Natur- zur Kulturlandschaft

Seit der Eroberung wird Teneriffa landwirtschaftlich intensiv genutzt. Die ebenen Lagen in Küstennähe wurden für Plantagen genutzt, auf denen mit der Zeit verschiedene Monokulturen gepflanzt wurden: zunächst Zuckerrohr und Wein, später dann Blattläuse auf Opuntien und schließlich Tomaten und Bananen.

Bis heute ein Zentrum des Weinanbaus: Icod de los Vinos.

Buch Sitzeplätze in Flugrichtung links für einen Blick auf den Teide beim Landeanflug Teneriffa Reiseblog

Cochenille werden nicht mehr angebaut, zu finden sind sie aber immer noch.

Eine Tajinaste vor der Azulejos Formation am Teide

Heute dominieren Bananen- und neuerdings auch Avocadoplantagen.

Die mittleren und damit steileren Lagen wurden auf zwei Arten genutzt. Zum einen wurden Terrassenfelder errichtet, um Getreide, Gemüse und Obst für den Eigenverbrauch und Binnenmarkt anzubauen. Zum anderen dienten sie als Weidefläche für Nutzvieh, darunter Rinder, Schweine und Ziegen.

Nur der direkte Küstenstreifen blieb in diesem Zeitraum weitestgehend unbeeinflusst.

Hafer auf Terassenfeld bei La Guancha

Buch Sitzeplätze in Flugrichtung links für einen Blick auf den Teide beim Landeanflug Teneriffa Reiseblog

Terassenfeld mit Zwiebeln in Los Carrizales

Masca_Berge_Teno

Weide mit Ziegen bei Masca

Die Folgen für die natürliche Pflanzenwelt

Als Folge der Intensivlandwirtschaft wurde die natürliche Vegetation in weiten Teilen der Insel zurückgedrängt. Vor allem den Lorbeerwald hat es schwer getroffen: Er ist stark fragmentiert und so reduziert, dass heute nur noch etwa 10 % der ursprünglichen Fläche erhalten sind.

Noch stärker dezimiert sind die thermophilen Buschwälder, so dass sie den meisten Menschen sogar unbekannt sind. Die ursprünglichen Wuchsorte der thermophilen Buschwälder liegen in 300-500 Meter Höhe über dem Meer und werden wegen der fruchtbaren Böden, der günstigen Wasserversorgung und ihrer guten Erreichbarkeit seit Jahrhunderten so intensiv genutzt, dass heute nur noch kleine Reste zu finden sind.

Reste des thermophilen Buschwalds und findest du z.B. an der Serpentinenstraße zwischen Los Silos und Tierra del Trigo.

Tourismusboom: die Küsten verschwinden

Bereits im späten 19. Jh. reisten einige wenige Reiche auf die Insel und mit der Zeit entstanden mehr und mehr touristischen Anlagen, vor allem in den klimatisch gemäßigten mittleren Höhenlagen.

In den letzten Jahrzehnten kam der Massentourismus so richtig in Fahrt. Mit ihm verlagerte sich der Tourismus samt der Bau- und Infrastrukturprojekte direkt an die Küste. Dafür wurden und werden zahlreiche landwirtschaftliche Flächen, vor allem Plantagen in unmittelbarer Küstennähe, in neue Hotel­s und Resorts sowie Siedlungen umgewandelt.

Doch nicht nur dass: auch sonstige Flächen wurden bebaut, so dass es im Süden von Teneriffa nur noch wenig unbebaute Küste gibt. Und sogar dort sind neue Großprojekte geplant. So zum Beispiel am  El Puertito de Adeje, wo die Luxussiedlung “Cuna del Alma” gebaut werden soll. Gegen das Projekt zweier belgischer Investorenfamilien richtet sich gerade massiver Widerstand. Unter anderem, weil der Baustart trotz fragwürdiger Genehmigungen erfolgte und bereits geschützte Pflanzen sowie Felsgravuren der Guanchen zerstört wurden. Das Projekt entwickelt sich zu einem Symbolbild eines umweltzerstörenden Massentourismus, der nur den Investoren nutzt, für die Tinerfeños aber weder Wohlstand noch Arbeitsplätze schafft, von denen die sie leben können. Das Symbol des Protests ist die endemische Pflanze Kanaren-Wolfsmilch, auch Cardón genannt, die wir dir hier näher vorstellen. Übrigens: wer den Protest gegen die Bebauung des Puertito de Adeje unterstützen möchte, kann symbolisch einen Cardón adoptieren.

Die guten Nachrichten

Während die Küste immer dichter bebaut wird, sieht es in weiten Bereichen der mittleren Höhenlagen anders aus. Hier wurden viele der Terrassenfelder und Äcker aufgegeben. Sie liegen heute brach und werden nach und nach überwuchert. Zudem wurden große Bereiche unter Naturschutz gestellt.

Für die Natur hat das einen ganz entscheidenden positiven Effekt: Vor allem in der Inselmitte und in den mittleren Höhenlagen erobern Pflanzen ihren ursprünglichen Lebensraum zurück, darunter teils seltene und endemische Arten.

    Kanarischer Fingerhut, der die Trockensteinmauer eines verlassenen Felds überwuchert.

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